Lange Zeit glaubten wir nicht wirklich daran, dass es möglich sein würde, ein Büro der SOC in der Stadt El Ejido zu eröffnen – angesichts der fremdenfeindlichen Atmosphäre, den Aggressionen, denen Dutzende maghrebinische und schwarzafrikanische ArbeiterInnen zum Opfer fallen, den Drohungen, denen die Delegierten der Gewerkschaft ausgesetzt sind…
Erinnern wir uns nur an die Überfälle einige Tage nach dem letzten Treffen, das von der SOC im Dezember 2003 in El Ejido organisiert worden war, auf das Lokal, in dem das Treffen stattgefunden hatte (eine von Marokkanern geleitete Telefonzentrale), und auf ein Cafe, in dem wir gegessen hatten.
Aber nichtsdestotrotz, es ist geschafft. Das Büro an der Calle Toledo 50 erfüllt seit April 2005 seine Funktion. Hunderte von eingewanderten ArbeiterInnen haben dort Rat gesucht, vor allem im Zusammenhang mit dem Ablauf der Regularisierung von illegal Eingewanderten, und haben Beschwerde erhoben gegen die Verletzungen des Arbeitsrechts und des Tarifvertrages. Gleichzeitig dient dieses Lokal als Treffpunkt, an dem die MigrantInnen sich kennenlernen, Tee trinken, ihre Erfahrungen austauschen und gemeinsame Aktionen planen können. Es gibt dort ein Dutzend Computer, bereitgestellt vom unermüdlichen Gérard, einem pensionierten Schweizer Gewerkschafter, der seit mehreren Monaten in der Region lebt und seine Gewerkschaft zur Unterstützung mobilisieren konnte.
Dieses Büro gehört der SOC. Es konnte mit Hilfe der finanziellen Unterstützung zahlreicher Organisationen (EBF, Solifonds, La Fondation pour une Société plus humaine, ATTAC Mediterranée…) gekauft werden. In einer Produktionszone, die Dutzende von Quadratkilometern bedeckt und ca. 80.000 MigrantInnen anstellt, ist dies sicherlich nur ein ganz kleiner Anfang. Aber es ist ein erster Hoffnungsschimmer. Man hätte die Freude der Mitglieder der SOC sehen müssen, die den Gästen aus Spanien und aus Europa ihre Gastfreundschaft anbieten konnten, die uns mit köstlichen Speisen versorgt und stundenlang im Rahmen des interkulturellen Festes, das Samstag Abend stattfand, mit uns getanzt haben. In den Straßen El Ejidos ist zweifellos nur selten marokkanische Musik zu hören…
Alles ist ohne Probleme verlaufen, vielleicht dank der Anwesenheit von ca. 30 europäischen Gästen. Es gibt keinen Zweifel an der Wichtigkeit dieser internationalen Solidarität, die den Abgesandten der SOC erlaubt, Aktionen durchzuführen, die andernfalls viel schwieriger wären.
Am Freitag fuhren wir nach Nijar, das 60 km östlich von El Ejido zwischen Almeria und dem Park von Cabo de Gata liegt. In dieser Zone gibt es ebenso Zehntausende von MigrantInnen, die in jämmerlichen Zuständen leben, die aber noch weniger Zugang zu Orten zum Entspannen, zu Bars oder Telefonzentren haben als in El Ejido. Hier weigert sich der sozialistische Bürgermeister, den ImmigrantInnen die zum Eröffnen derartiger Strukturen in gemieteten Räumen nötige Genehmigung zu geben.
Nach dem Besuch der von Jean Duflot geschilderten Wohnräume zeigte uns die SOC das Gebäude von 260m2, das sie kaufen möchte, um darin ein zweites Büro zu eröffnen. Dies ist für die Gewerkschaft ein sehr wichtiges Projekt, ihm fehlen jedoch die nötigen Mittel. Wenn es stimmt, dass die SOC die Funktions- und die Bankkreditkosten des Büros in El Ejido zur Gänze mit den Beitragszahlungen der Mitglieder decken kann, so ist es offensichtlich, dass sie nicht imstande sein wird, das Geld für den Kauf dieses Lokals aufzubringen. Dies ist der Grund, warum das EBF einen zweiten Aufruf zur Unterstützung an seine Freunde startet.
Ein weiterer Schwerpunkt für die SOC in den kommenden Monaten ist die Stärkung der juristischen Arbeit mit dem Ziel, besser auf die vielfachen Missbräuche und Aggressionen, denen die MigrantInnen der Zone zum Opfer fallen, antworten zu können. Zurzeit arbeitet ein einziger Rechtsanwalt für die SOC in der Provinz, und es wäre wichtig, weitere zu finden und auch Juristen anderswo in Spanien und im Ausland zu sensibilisieren.
Es wäre dringend nötig, zu dem Anfang des Jahres 2006 angesetzten Prozess, in dem der Mord an Hosni Azzouz im Februar 2005 verhandelt werden soll, internationale Beobachter an Ort und Stelle zu senden. Dieser Fall hat die Wichtigkeit einer internationalen Intervention deutlich gemacht. Die Tatsache, dass einige hundert Personen Briefe an den stellvertretenden Regierungsabgeordneten in Almeria geschickt haben, hat erheblich dazu beigetragen, dass auch wirklich Untersuchungen zu diesem Verbrechen durchgeführt wurden.
Die SOC sieht auch vor, einen vollständigen Bericht auszuarbeiten über die Aggressionen, die systematischen Verletzungen der spanischen Gesetzgebung (Arbeitsrecht, Konventionen, usw.), über die Repression der Gewerkschaft sowie über das Fehlfunktionieren der Polizei und des Gerichts (Weigerung, Klagen aufzunehmen; Druck gegen Zeugen; Weigerung, den rassistischen Charakter bestimmter aggressiver übergriffe anzuerkennen; Versuche, Verbrechen als Handlungen im Zusammenhang mit Drogenhandel darzustellen; usw.). Angesichts der physischen Gewalt beabsichtigt die SOC, vor allem ihre Beteiligung in der «Plataforma Almeriense Iguales en Derechos », ein Zusammenschluss von mehreren Gewerkschaften und Vereinen, zu verstärken.
Was uns, das EBF, betrifft: Wir wollen unsere enge Zusammenarbeit mit unseren Freunden der SOC fortsetzen, und wir werden Sie weiterhin auf dem Laufenden halten.
Der Bericht über die Aktivitäten der SOC Almeria vom August 2004 bis November 2005 (auf spanisch oder französisch) kann beim EBF bestellt werden
«La Chanca»
Auf derselben Erde, die vor einigen Jahrhunderten Zeugin einer blühenden Zivilisation war; die, vor nicht mal achtzig Jahren, Fabriken besaß, Gießereien und Bergwerke, herrscht jetzt das Elend, und der Almerienser führt jetzt die Existenz eines Sklaven, der einer barbarischen kolonialen Ausbeutung unterworfen wurde. Während sich die Bevölkerung Spaniens in den vergangenen fünfzig Jahren verdoppelt hat, ist die Almerías - trotz der Lebenserwartung, die eine der höchsten auf der Halbinsel ist - um 0.46 Prozent gesunken. In diesem Zeitraum sind 207.000 Almerienser nach Katalonien, Frankreich, Amerika ausgewandert, in alle fünf Erdteile. Laut der offiziellen Statistik, die Pérez Lozano anführt, gibt es unter den 80 000 Einwohnern der Stadt Almería 10 000 Arme, die in völliger Mittellosigkeit leben, und 17 000 Hilfsbedürftige, was zusammen 34 Prozent Arme der Stadtbevölkerung ausmacht.
Almería ist keine spanische Provinz. Almería ist eine spanische Besitzung, die von der Guardia Civil militärisch besetzt ist. Jahrhundert auf Jahrhundert hat die Nachlässigkeit der aufeinanderfolgenden Regierungen die ursprünglichen Quellen ihres Reichtums zerstört und hat sie auf ihre gegenwärtige Lage einer Kolonie reduziert. Der in seiner Heimat versklavte Almerienser wandert aus und wird in den Industriegebieten Spaniens ausgebeutet. Die wirtschaftliche Benachteiligung verfolgt ihn überall, wo immer er seinen Lebensunterhalt verdienen will.