COSTA RICA / PANAMA: Staudammprojekte bedrohen indigene Gebiete.

de Roland Spendlingwimmer *(Longo maï, Costa Rica), 14 sept. 2004, publié à Archipel 118

«Was soll aus unseren Dörfern werden ? Was wird mit unseren historischen Kultstätten geschehen ? Unsere Tradition und Identität ist seit Jahrtausenden tief mit der Erde, den Flüssen und der Natur verbunden. Wir werden bis zur letzten Konsequenz gegen dieses Staudammprojekt ankämpfen», sagt Enrique Rivera Rivera, Präsident des Kulturvereins von Terraba.

Enrique steht nicht allein mit dieser Meinung. Ein Großteil der sechs Indiogemeinschaften im Süden von Costa Rica, die durch den geplanten Megastaudamm BORUCA betroffen sind, stimmen mit ihm überein. Die Comarca von Rey Curré, die direkt am Fluss des Rio Grande de Terraba liegt, würde durch den 250 Quadratkilometer großen Stausee total überflutet. Auch die Dörfer von Boruca, Salitre, Cabagra und Ujarrás würden große Teile ihrer Territorien verlieren.

Außerdem wären die nach dem Staudamm flussabwärts gelegenen Dörfer durch die permanenten Erdbebentätigkeit in diesem Gebiet stark gefährdet. Auch würden die einzigartigen Mangrovenwälder Terraba-Sierpe im Mündungsgebiet des Rio Grande ernsthaften Schaden nehmen.

Das Projekt BORUCA soll das größte Wasserkraftwerk von ganz Zentralamerika werden. Die Staudammhöhe würde 180 Meter betragen und die Turbinen würden 1500 Megawatt, hauptsächlich für den Export von Strom nach Mexiko und USA, erzeugen. 1500 Familien, die Mehrzahl Indigene, müssten umgesiedelt werden.

Der Betreiber des Projektes, das staatliche Instituto Costaricense de Electricidad (ICE) ist mit der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudie beauftragt. Seit Jahren beklagen sich jedoch die betroffenen Dorfgemeinschaften über fehlende Information und Offenlegung der Interessen, die hinter dem Projekt stehen. Die costaricanische Bevölkerung ist auf ihr ICE als öffentliche Einrichtung der Strom- und Telefonverwaltung stolz und hat im Jahre 2000 einen Privatisierungsversuch erfolgreich abgewehrt. Nun argwöhnt sie, dass die Realisierung des Projektes BORUCA als Vorbereitung neuer Privatisierungspläne und als Teil einer transnationalen Strategie, heute unter dem Namen Plan Puebla Panama (PPP) bekannt, zu sehen ist.

Plan Puebla Panama

Dieser Plan, für dessen Realisierung Weltbank und Weltwährungsfond bedeutende Mittel zur Verfügung stellen, sieht den massiven Ausbau der Transportwege für Güter, der Häfen und einer transnationalen Energieversorgung Zentralamerikas vor. Davon soll hauptsächlich die pazifische Seite betroffen sein. Die Häfen sollen Exporte in den asiatischen Raum und USA erleichtern und die Ansiedlungen von Textilbetrieben (Maquiladoras ) soll die Arbeitslosigkeit in Zentralamerika reduzieren helfen. Ein Teil der Gebiete im Osten Zentralamerikas, der von ausgedehnten Regenwäldern bedeckt wird, soll als biologisches Reservat für eine zukünftige Nutzung des genetischen Potentials der Pflanzen- und Tierwelt und der enormen Wasserreserven erhalten werden.

Der PPP ist die logische Konsequenz der Globalisierungsstrategie der multinationalen Konzerne. Die rechtlichen Grundlagen dafür sollen die Freihandelsabkommen schaffen. Die Abkommen zwischen USA und Zentralamerika stehen unmittelbar vor der Ratifizierung.

Bauern, Gewerkschaften, Universitäten und große Teile der Zivilbevölkerung sehen mit Skepsis dieser Entwicklung entgegen und machen darauf aufmerksam, dass letzten Endes PPP und Freihandelsverträge zu einer beschleunigten Zerstörung der Umwelt, zu verstärkter Ausbeutung der Indiogebiete, zu Migrationen ganzer Bevölkerungsgruppen, zur Ausnutzung der billigen heimischen Arbeitskraft und dem Verlust der nationalen Ernährungssicherheit führen werden.

Rückkehr zu den Wurzeln: Besuch der Teribes bei ihrem Mutterstamm Naso

Mitte März 2004 realisierte eine Gruppe des Kulturvereins der Teribes von Costa Rica einen Besuch bei ihrem Mutterstamm, den Nasos in der Region Bocas del Toro in Panama. Begleitet wurden sie von einem Filmteam aus Österreich, zwei Ethnologiestudentinnen aus Deutschland und von mir selbst, dem Koordinator des Projektes Longo maï in Costa Rica. Das Unternehmen wurde für alle zu einem unvergesslichen Erlebnis. Das Volk der Naso lebt noch sehr zurückgezogen und wirtschaftlich autonom am oberen Flusslauf des Rio Teribe in Panama. Umgeben von einer überwältigenden Natur ist ihr Territorium nur auf dem Flussweg zu erreichen.

Vor ca. 300 Jahren verschleppten Franziskaner aus diesem Gebiet eine Gruppe von Indios nach Costa Rica, um die landwirtschaftliche Ansiedlung Terraba zu gründen. Bis in die 1980er Jahre gab es kaum Verbindungen zwischen den beiden Bruderstämmen. Erst durch Nachforschungen über ihre Herkunft und im Rahmen einer kulturellen Besinnung der Teribes kam es zu den ersten Besuchen in Panama. In der Folge fanden sich Lehrer der Naso bereit, in Terraba wieder ihre Sprache zu unterrichten. Auch Heiraten zwischen Nasos und Teribes fanden statt.

«Unsere Überraschung anlässlich unseres letzten Besuchs im März war groß, als wir sahen, dass unsere Brüder in Panama von denselben Problemen betroffen sind wie wir in Costa Rica. Das Staudammprojekt BONYIC bedroht ihre territoriale und ethnische Integrität. Ohne dass wir vorher davon wussten, fiel unser Besuch, wie durch spirituelle Kommunikation, genau auf den Zeitpunkt der Vollversammlung der 11 Dorfgemeinschaften der Naso. Das Hauptthema war der geplante Staudamm BONYIC», erklärt Enrique Rivera.

Im Fall dieses Projektes kommt die betreibende Firma aus Kolumbien. Das Vorhaben existiert seit 1998. Damals planten das panamenische Unternehmen Hidroelectric del Teribe (HET) und die costarikanische Firma Mc. Energy das Kraftwerk im Gebiet der Naso. HET erhielt vom panamenischen Staat die Wasserrechte, verfügte aber nicht über die nötige Finanzierung. Viereinhalb Jahre später verkauften sie die Rechte an die kolumbianische Firma, Empresas Publicas de Medellin (EPM). EPM besitzt heute 75 Prozent der Aktien.

Da die Wasserrechte für fünf Jahre vergeben waren, hatte es EPM eilig, mit den Arbeiten zu beginnen. Sie vergaßen lediglich, dass sie rechtlich verpflichtet waren, die Zustimmung der Naso einzuholen. Die Tradition der Naso besagt, dass eine derartige Entscheidung nur von der Vollversammlung aller Dörfer getroffen werden kann. Die Vollversammlung fand am 9.,10. und 11. März 2004 statt. Ein Großteil der Delegierten lehnte das Projekt ab. Eine Kommission wurde eingesetzt und damit betraut, genauere Informationen über das Projekt einzuholen und die Kommunikation mit den Dörfern aufrecht zu erhalten.

Ohne diese Ergebnisse abzuwarten, schloss EPM mit dem obersten Vertreter der Naso (Rey) einen Vorvertrag ab.

Das Vorgehen führte zu Konfusion, inneren Konflikten und einer tiefen Spaltung im Volk der Naso, die zusätzlich seit Jahren um die gesetzliche Anerkennung ihres Territoriums kämpfen (im Gegensatz zu Costa Rica hat Panama die internationalen Regeln zum Schutz der Landrechte von Ureinwohnern, ILO-Konvention 169, nicht ratifiziert).

Anthropologen sagen, dass bereits im Vorfeld derartiger Projekte, insbesondere in Indiogebieten durch Provokation von Spannungen und Spaltungen ein nicht wieder gut zu machender Schaden angerichtet wird.

«Wir müssen uns auf die Herausforderungen, die unsere Lebensform und unsere Autonomie im Namen der ‚Entwicklung‘ bedrohen, gebührend vorbereiten. Vor allem wir Jungen, die wir einmal die Stellungen unserer Eltern und Vorfahren einnehmen werden, müssen uns bilden, um die Werkzeuge für unsere Verteidigung zur Hand zu haben», sagte José Gonzalez Salina, Naso Student, der Dank eines Stipendiums aus Österreich das Gymnasium in Silencio besucht.

Roland Spendlingwimmer *

Longo maï, Costa Rica

* Roland Spendlingwimmer ist Koordinator des Projektes Longo maï im Süden Costa Ricas. Seit 12 Jahren unterhält Longo Mai Kontakte zu den Teribes. Seit fünf Jahren koordiniert Longo maï Schülerpatenschaften aus Europa für Studenten aus Terraba.

Für weitere Informationen oder die Übernahme einer Patenschaft: rolspendling@gmx.net

Der Dokumentarfilm über die Teribes/ Nasos von Frau Carola Mair wird voraussichtlich 2005 in Österreich zur Uraufführung kommen.

Für die Postproduktion fehlen noch 8.000.- Euros. Kontakt: Carola Mair Caromax10@hotmail.com

Quellen:

Fundación Dobbo Yala, Panama. web: http://www.dobboyala.org.pa ,

e-mail: dobbo@cableonda.net