Am 30.November 2014 findet in der Schweiz eine Volksabstimmung über die Ecopop-Initiative statt (siehe auch Archipel Nr.229). Der Verein Ecopop, der die Initiative lanciert hat, engagiert sich nach eigenen Angaben seit 40 Jahren „gegen die Überlastung der Natur durch immer mehr Menschen“. Die Initiative will daher eine drastische Begrenzung der Zuwanderung in die Schweiz und „freiwillige Geburtenkontrolle“ in den Entwicklungsländern erreichen.
Die erste Massnahme soll „unsere Lebensqualität“ in der Schweiz bewahren helfen und die zweite „die globale Belastung der Erde“ reduzieren. Zwar haben sich alle Parteien gegen die Initiative ausgesprochen (ausser die kleine Partei der rechtsextremen „Schweizer Demokraten“), aber man sollte ihre Wirkung nicht unterschätzen, da sie sogar von dem bekannten Umweltschützer Franz Weber unterstützt wird.
Umso wichtiger ist das Buch „Die unheimlichen Ökologen“ von Balhasar Glättli und Pierre-Alain Niklaus, das dieses Jahr erschienen ist und die simple, verführerische Formel „Wachsende Anzahl von Menschen = wachsende Umweltbelastung“ historisch und aktuell hinterfragt. So sah bereits im 18. Jahrhundert Thomas R. Malthus die Menschheit am Abgrund stehen – durch die unkontrollierte Vermehrung der Armen. Wie heute, wurden dabei die Privilegien der Reichen nicht in Frage gestellt. Eugeniker und Einwanderungskritiker in den USA und Europa malten am Anfang des 20. Jahrhunderts die vermeintliche Degenerierung ihrer Gesellschaften als sogenannten „Race Suicide“ an die Wand. Die deutschen Nationalsozialisten zeigten in den 1930-er und 1940-er Jahren mit der Vernichtung „unwerten Lebens“ auf, zu welcher letzten, brutalen Konsequenz solche Ansichten führen können. In den 1970er-Jahren liess der Biologe Paul Ehrlich „die Bevölkerungsbombe“ platzen – ein Buch, das der Ecopop-Vereinigung Pate stand …
Das Buch von Glättli und Niklaus wendet sich gegen die Vermischung von Ökologie und Bevölkerungspolitik und stellt dar, in welche menschenfeindlichen Denktraditionen sich die „unheimlichen Ökologen“ einreihen. Die Autoren stellen ihnen ein Verständnis von Ökologie entgegen, das die Menschen und ihre Grundrechte ins Zentrum stellt. Sie fragen nach der Verteilgerechtigkeit und formulieren eine Kritik an der Ausbeutung von Natur und Mensch. Gastbeiträge unterschiedlicher Autoren vervollständigen das Bild aus verschiedenen Blickwinkeln. So beleuchtet die indische Ethnologin Shalini Randeria die europäischen Bevölkerungsdiskussionen aus der Sicht des Südens.
Wer dieses Buch liest, hat das Gefühl, sachlich und umfassend informiert zu werden, wobei auch ein satirischer Seitenhieb von Peter Schneider nicht fehlen darf. Dieses Buch ist ein guter Impfstoff gegen allzu populistische und gefährliche Rezepte zur vermeintlichen Rettung der Welt.
Michael Rössler
Balthasar Glättli und Pierre-Alain Niklaus: Die unheimlichen Ökologen. Sind zu viele Menschen das Problem? Mit Gastbeiträgen von Marcel Hänggi, Annemarie Sancar, Leena Schmitter, Shalini Randeria, Peter Schneider und Geert van Dok.
176 Seiten, Rotpunktverlag, Zürich, 2014, CHF 25.-
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