Kürzlich erreichte uns die Nachricht von einem erneuten Attentat auf die Umweltaktivisten der russischen Organisation «Regenbogen». Dazu ein Bericht von Carine Clément, die seit 2000 in Russland lebt.
Am 21. Juli 2007 um fünf Uhr morgens überfielen etwa 15 mit Messern, Baseballschlägern, Eisenstangen und Hämmern bewaffnete Skinheads ein Zeltlager der Umweltaktivisten in Angarsk (Sibirien). In den Zelten schliefen zu diesem Zeitpunkt 25 Personen, die sich nicht verteidigen konnten. Die Zelte wurden in Brand gesetzt und die persönlichen Sachen, Reisepässe inbegriffen, gestohlen. Acht Personen wurden schwer verletzt, eine starb bei der Ankunft im Krankenhaus. Es handelt sich um Ilja Bondarenko, 26 Jahre, aus Nachodka, einer Stadt im fernen Osten Russlands. Die Aktivisten sind sicher, dass es sich um Faschisten, um junge Nazis handelte. Laut ihren Aussagen skandierten sie beim Überfall Parolen wie «Nieder mit dem Antifaschismus!» und «Russland gehört uns!».
Das Zeltlager war am 15. Juli in der Nähe der Uraniumaufbereitungsfabrik von Angarsk (Region von Irkutsk) aufgebaut worden. Es handelte sich um das jährliche Treffen von Aktivisten verschiedenster Richtungen, das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf umweltgefährdende Situationen lenken soll. Zu diesem Anlass kommen während mehrerer Wochen linke, anarchistische oder antifaschistische Aktivisten aus allen Regionen Russlands zusammen. Nennen wir einige der aktivsten: «Autonome Aktion», «Hüter des Regenbogens», «Die ökologische Welle vom Baikal».
Die in Angarsk versammelten Personen wollten gegen den Plan protestieren, aus der Fabrik ein großes Zentrum für die Aufbereitung von Atommüll aus dem Ausland zu machen und auf die Gefahr hinweisen, welche die daraus resultierende Radioaktivität darstellt. Vor dem Attentat hatten sie schon mehrere Aktionen durchgeführt und die Einstellung des Projekts gefordert mit dem Slogan: «Angarsk soll kein Atommülleimer werden».
Der Großteil der lokalen Bevölkerung sympathisiert mit den Umweltschützern, viele nehmen an den Aktionen teil oder helfen da und dort. Dafür sind der Atomlobby, unterstützt von der Bundesregierung, den lokalen Behörden und der Direktion der Fabrik, die Proteste ein Dorn im Auge.
Am Tag vor dem Aufbau des Camps hatten die Aktivisten bereits Besuch von der Polizei und dem Geheimdienst, die sie einem regelrechten Verhör unterzogen. Im Anschluss an das Attentat wurde das Lager kurzfristig abgebrochen, die Aktivisten konzentrierten sich auf die Unterstützung der Verletzten und die polizeiliche Untersuchung. Aktionen gab es hingegen weiterhin, bei-nahe jeden Tag: für Gerechtigkeit und im Andenken an Ilja Badarenko, gegen das Projekt des «Atommülleimers» usw. An diesen Aktionen beteiligten sich jeweils zwischen 100 und 200 Personen. Oft mündeten sie in Verhaftungen und Strafen für «nicht bewilligte Aktionen». Am Ende der Kundgebung für Ilja Badarenko, am 23. Juli, wurden drei junge Einwohner der Stadt, die sich vom Demonstrationszug entfernt hatten, erneut Opfer eines Überfalls durch eine Gruppe von Faschisten. Diese drohten mit weiteren Vergeltungsmaßnahmen, falls die Umweltschützer nicht aufhörten, gegen die inhaftierten Skinheads auszusagen.
Dank einer großen Mobilisierung von Umweltschützern und Antifaschisten im ganzen Land und im Ausland konnte die medizinische Hilfe organisiert werden. Nur noch eine Person ist zurzeit im Krankenhaus, ihr Zustand hat sich stabilisiert. Dank dieser Hilfe hoffen die Aktivisten auch, das Zeltlager wieder zu eröffnen. Sie sind nicht bereit, das Handtuch zu werfen. Olga Miriasova, Anarchistin und Mitarbeiterin im Institut für Kollektive Aktionen, erklärte einem Korrespondenten der französischen Tageszeitung «L’Humanité: «Wir sind fest entschlossen, unsere Aktion weiter zu führen, sowohl gegen die Atomkraft als auch für eine exemplarische Verurteilung der Attentäter».
Zur Zeit befinden sich 15 Verdächtige in Haft. Die offizielle Version des Innenministeriums bezweifelt den faschistischen Hintergrund und will die Vorfälle als einfachen Akt des Vandalismus hinstellen. Die Umweltschützer beharren auf der Tatsache, dass es sich nicht um kleine Gauner handelt, sondern um militante Neonazis. Auf die Anspielung der Behörden, das Camp wäre nicht von Umweltschützern sondern von Anarchisten organisiert, antworteten die Aktivisten im Rahmen einer Pressekonferenz am 21. Juli, dass ein Engagement für Ökologie andere politische Stellungnahmen nicht ausschließe und beschuldigten das Innenministerium, auf diese Weise den Kampf gegen Atomkraft diskreditieren und das Attentat der Faschisten vertuschen zu wollen. Gewisse Aktivisten sprechen sogar von Verbindungen zwischen den jungen Neonazis und den lokalen Behörden.